Donnerstag, 23. Juni 2016

Interview mit Katja BUCHECKER, Expertin für Unterricht im Goethe-Institut KAMERUN

Nachbarschaft : Können Sie sich bitte unseren Lesern vorstellen ?
Ich heiße Katja Buchecker und arbeite seit eineinhalb Jahren beim Goethe-Institut als Expertin für Unterricht und bin dort vor allem für die Koordination der Deutschlehrer-Fortbildung und die Betreuung der PASCH-Schulen zuständig. Ich bin das zweite Mal in Kamerun. Davor habe ich fünf Jahre für den DAAD (Deutscher AkademischerAustausch Dienst) an der Universität Yaoundé I als Dozentin für Deutsch als Fremdsprache gearbeitet. Ich habe Islamwissenschaft und Sprachlehrforschung studiert und vorher in der Türkei als Journalistik-Assistentin und in Deutschland als Lehrkraft in Integrationskursen und im BAföG-Amt in Hamburg gearbeitet.

Nachbarschaft : Wie fühlen Sie sich seit Sie hier im Goethe-Institut Jaunde als Expertin für Unterricht tätig sind ?
Zwischen himmelhochjauchzend und zu Tode betrübt! Also insgesamt gut! Um es anders zu sagen: an manchen Tagen verzweifele ich angesichts der schwierigen Umstände, denen wir und unsere kamerunischen Kolleginnen und Kollegen unterworfen sind; an anderen Tagen freue ich mich angesichts der Integrität, des Ideenreichtums und der Kraft vieler Kolleginnen und Kollegen, sich trotzdem nicht unterkriegen zu lassen!

Nachbarschaft : Zur Kultur bzw. zum interkulturellen Lernen:
Was unterscheidet Ihre Tätigkeit in Kamerun von Ihren Tätigkeiten in anderen Ländern? Wie sehen Sie die Unterschiede zwischen Deutschland und Kamerun?
Sie unterscheidet sich vor allem thematisch. In der Türkei war ich journalistisch tätig und befand mich in einem Land, das von sehr starken politischen, wirtschaftlichen und sozialen Erschütterungen und Auseinandersetzungen betroffen war und ist. Verglichen mit der Türkei herrscht in Kamerun Stillstand. Das ermöglicht einerseits ein ruhigeres, sichereres Arbeiten und ein anderes Maß an Kontinuität. Andererseits besteht bei fehlender Auseinandersetzung leicht die Gefahr, Dinge unreflektiert zu wiederholen und mehr an der Fassade als am Inhalt zu arbeiten.

Nachbarschaft : Zum Deutschlernen und Deutschlehren im Allgemeinen:
Weshalb werden Deutschlehrer privater Schulen nicht zu Fortbildungen nach Deutschland eingeladen?
Zwischen dem Goethe-Institut und dem Sekundarschulministerium gibt es eine Abmachung, die besagt, dass nur Lehrerinnen und Lehrer für Fortbildungen in Deutschland zugelassen sind, die erstens einen ENS-Abschluss haben und zweitens beim Ministerium als Lehrer/innen immatrikuliert sind. Zu den 25-30 Fortbildungen, die wir jedes Jahr landesweit in Kamerun anbieten, sind aber alle Deutschlehrerinnen und –lehrer herzlich eingeladen, egal, ob sie an staatlichen oder privaten Schulen arbeiten. Die Termine der Fortbildung veröffentlichen wir auf unserer Webseite und Lehrerinnen und Lehrer, die uns ihre Email-Adresse mitgeteilt haben, informieren wir auch per Mail, wenn in ihrer Region eine Fortbildung stattfindet.

Nachbarschaft :Warum sollte man in Kamerun Deutsch lernen? Wie lässt sich erklären, dass seit einigen Jahren die kamerunischen Schüler deutlich weniger an Deutsch als an Spanisch interessiert sind?
Eine Fremdsprache zu lernen ist immer eine Bereicherung, egal, um welche Sprache es sich handelt. Jede Sprache hat ihren eigenen, unvergleichlichen Reichtum, ihre Ausdrücke und Redewendungen, die in einer anderen Sprache nicht mit dieser Präzision oder einer vergleichbaren Emotion wiedergegeben werden können.
Spanisch ist bei den Schülerinnen und Schülern vor allem aus dem Grund beliebter, weil es als leichtere Sprache gilt und auch objektiv gesehen für frankophone Lerner einfacher zu erlernen ist. Deutsch hat eine andere Struktur, aber genau das macht es interessant. Wer immer nur einander verwandte Sprachen lernt, wird das erhellende Gefühl nie erleben, wie es ist, Gedanken in ganz anderen Strukturen und mit ganz anderen Bildern auszudrücken zu können.

Nachbarschaft :Wie ist Ihrer Meinung nach die beste Methode Deutsch zu lernen und so die Deutschlernenden für das Fach zu motivieren?
Die beste Methode, eine Sprache zu lernen, ist meiner Meinung nach, sie anzuwenden. Deutsch wird oft so vermittelt, als handle es sich um eine tote Sprache, als bestünde der Zweck sie zu lernen darin, alle ihre kniffligen Grammatikregeln auswendig herbeten zu können und bloß ja keinen Fehler zu machen. Lehrerinnen und Lehrer sollten Schülerinnen und Schüler motivieren, mit der Sprache zu spielen und mit ihr zu experimentieren und sie sollten ihnen vor allem die Angst vor „Fehlern“ nehmen. Fehler gehören zum Erwerbsprozess, man sollte keine Angst vor ihnen haben!
Inzwischen gibt es auch sehr viele Möglichkeiten, Deutsch autonom zu lernen. Das Goethe-Institut bietet viele interaktive Lernmöglichkeiten an, von der Vokabel-App über Videos zum Alltagsleben in Deutschland bis zu interaktiven Detektivspielen, die man sich auf ein Smartphone runterladen kann. Besonders interessant finde ich das Angebot:“African-German Phrasebook“, wo man sich Redewendungen in 50 afrikanischen Sprachen auf das Smart-Phone herunterladen kann (www.goethe.de/agpb)

Nachbarschaft : Zur Arbeit im Goethe-Institut:
Was sind die Aufgaben des Goethe-Instituts in Kamerun? Mit wem arbeiten Sie dort zusammen?
Das Goethe-Institut fördert die deutsche Sprache und die kulturelle Zusammenarbeit mit Kamerun und hat die Aufgabe, durch Information über das kulturelle, gesellschaftliche und politische Leben ein aktuelles Deutschland-Bild zu vermitteln. Was die Förderung der deutschen Sprache in Kamerun betrifft, so arbeiten wir mit dem kamerunischen Sekundarschulministerium, den Deutschlehrerverbänden, aktiven Vereinen, privaten Sprachschulen und auch mit Schul- und Studierenden-Initiativen zusammen.

Nachbarschaft : Gibt es ein Alleinstellungsmerkmal, was Kamerun von den Ländern, in denen Sie bisher gearbeitet haben, unterscheidet ?
Deutsch spielt in Kamerun eine viel stärkere Rolle als in den anderen Ländern, in denen ich gearbeitet oder die ich besucht habe. Es gibt in Kamerun viele sehr engagierte Deutschlehrerinnen und Deutschlehrer und auch viele Schülerinnen und Schüler, die tolle Projekte anstoßen, z.B. das Deutschforum in Bertoua dieses Jahr, an dem mehr als 700 Schülerinnen und Schüler teilgenommen haben. Das ist wirklich einmalig an Kamerun.

Nachbarschaft : Wenn eine Fee Ihnen drei Wünsche für Kamerun gewähren könnte , was würden Sie dem Land wünschen ?
Meiner Meinung nach war es noch nie ein guter Rat, sich auf übernatürliche Kräfte zu verlassen. Aber …
  1. Gorillas nach Nkol Ndengui (Gorillaberg)
  2. Elefanten nach Olezoa (Fluss der Elefanten)
  3. Nicht nur für Kamerun: Eine Welt, in der es, um es mit Bertold Brechts Worten zu sagen „nicht mehr zweierlei Menschen gibt“, in der es also nicht möglich ist, dass 1 % der Menschen genauso viel besitzt wie der Rest der Menschheit zusammengenommen!
Nachbarschaft : Gibt es etwas, was Sie in Kamerun kennengelernt haben und was Sie gern mit nach Deutschland nehmen würden? Ein besonderes Essen, ein Kleidungsstück oder einen Kunstgegenstand oder noch etwas anderes?
Ja, Ndolé, Piment, Kochbananen, Mangos und Corosol!

Nachbarschaft : Was halten Sie von der online Produktion im Allgemeinen und vom Blog „Nachbarschaft“ im Besonderen ? Wie sehen Sie die Zukunft der digitalen Medien für Afrika und die ganze Welt ?
Digitale Medien spielen eine wichtige Rolle, denn man kann sich mit ihnen schnell zeit- und ortsunabhängig austauschen. Menschen, die sich früher niemals hätten begegnen können, haben durch sie die Möglichkeit zum kontinuierlichen Austausch, wie ja auch ihr Blog beweist. Die Voraussetzung hierfür ist natürlich, dass man Zugang zu ihnen hat und ihre Benutzung erschwinglich ist. Digitale Medien können immens nützlich sein, aber auch zeitfressende Verdummungsmaschinen. Das Problem mit ihnen ist, dass man in der Lage sein muss, sich aus dem riesigen ungefilterten Material das Nützliche heraussuchen zu können.


Die Fragen stellten William CHANTCHO und Walter BÖHME

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