Dienstag, 29. Juni 2010

Fußballweltmeisterschaft der Obdachlosen

Die Fußballweltmeisterschaft der Obdachlosen (engl.: Homeless-World-Cup, HWC) ist ein von der UNO und UEFA unterstütztes internationales Straßenfußball-Turnier.
Es wird und von dem Internationalen Netzwerk der Straßenzeitungen ausgerichtet und seit 2003 jährlich ausgetragen. Es soll Obdachlose bei der Reintegration in die Gesellschaft unterstützen. Teilnahmeberechtigt ist man einmal im Leben. Ein Spiel dauert jeweils 2×7 Minuten.

Teilnahmekriterien
Alle Spieler und Spielerinnen müssen das 16. Lebensjahr vollendet haben und dürfen noch bei keiner früheren Weltmeisterschaft teilgenommen haben. Zudem muss mindestens eine der folgenden weiteren Voraussetzungen erfüllt sein:
* zumindest vorübergehende (der nationalen Rechtsprechung entsprechende) Obdachlosigkeit im Jahr vor der Weltmeisterschaft (zwei Jahre bei Spielern in Alkohol- oder Drogenrehabilitationsprogrammen)
* der Lebensunterhalt wird als Straßenzeitungsverkäufer bestritten
* Asylbewerber ohne positiven oder bei abgelehntem Bescheid (höchstens zwei pro Teilnehmernation)
Die Weltmeisterschaft von 2008 fand in Australien (Melbourne) statt, sieh Bild.

Geschichte
Bei der  Konferenz des Internationalen Netzwerks der Straßenzeitungen von 2001 in Kapstadt wurde die Idee des Homeless World Cups von Mel Young und Harald Schmied präsentiert. Diese Idee wurde von den Vertretern der Straßenzeitungen angenommen und 18 Monate später das erste Turnier in Graz, unterstützt von der Straßenzeitung Megaphon ausgetragen. In weiterer Folge entstand eine jährliche Veranstaltung mit wechselnden Austragungsorten.
Das Ziel der Veranstaltung ist, durch medienwirksame Sportveranstaltung Menschen aus der Obdachlosigkeit unter dem Slogan „Kick Off Poverty“ wieder zurück in geregelte Wohnverhältnisse zu bringen.
Die Aufmerksamkeit der Medien verstärkte das Engagement von Partnern und Sponsoren, die auf internationaler Ebene (wie beispielsweise Nike, Philips, Salesforce) oder auf  jeweils nationaler Ebene (wie Manchester United oder Kaizer Chiefs) einzelne Themen oder die jeweilige Veranstaltung unterstützen. Von Beginn an sind auch die UEFA und die Vereinten Nationen Partner.
Im Jahre 2005 wurde das Projekt mit dem UEFA Charity Cheque ausgezeichnet. Der mit 1 Million CHF dotierte Scheck wurde am 26. August von Ronaldinho an Harald Schmied und Mel Young überreicht.

Der Text baut auf dem Artikel in der deutschen Wikipedia auf. (Liste der Verfasser)

Rücktritt von Helmut Köhler und Bundespräsidentenwahl

In der letzten Ausgabe der Nachbarschaft berichteten wir über den deutschen Bundespräsidenten Horst Köhler und sein besonderes  Interesse an Afrika.  Am 31.  Mai  2010 trat Horst Köhler völlig überraschend von seinem Amt zurück. 
Begründet hat Horst Köhler seinen Rücktritt mit der massiven Kritik, die seine  Äußerungen zur deutschen Beteiligung am Krieg in Afghanistan  auslösten. Ob das der wahre Grund  war, wird von vielen bezweifelt. Wahrscheinlich liegen die wirklichen Gründe eher in einer zunehmenden Distanz zur Politik der Bundesregierung. 
Spannend wird die Frage, wer zum Nachfolger gewählt wird. Die Regierungskoalition schlug Christian Wulff vor, den Ministerpräsidenten des Landes Niedersachsen. Die Opposition setzte Joachim Gauck dagegen. Gauck  hat sich große Verdienste bei der Bewältigung der deutschen Teilung erworben,  er kommt aus der ehemaligen DDR. Wegen seiner Popularität ist der Ausgang der Präsidentenwahl, die am 30. Juni stattfindet, noch völlig offen.
                                                                                                                                 Gottfried Samoth 


Nachtrag:
Zeit online zu den Wahlaussichten der Kandidaten (mit Kommentaren)
30.6.: Die Wahl geht über drei Wahlgänge. Es wird relative Mehrheit entscheiden.
Wulff im 3. Wahlgang gewählt.                
Wulffs Antrittsrede  (2.7.2010)                                                                                              

Freitag, 18. Juni 2010

Typisch die Deutschen! - Erfahrungen in Deutschland

So viele Nationalitäten hier!
So war mein erster Eindruck im Goethe-Institut Berlin am zweiten Tag meines Aufenthalts, anlässlich eines Sprachkurses letzten Sommer in Deutschland.
Ich wohne in Port-Gentil, einer Halbinsel in dem westlichen Teil Gabuns. Viele Gabuner glauben, dass Deutsch nur in Deutschland gesprochen wird. Als Deutschlehrer wusste ich ja schon, dass Deutsch in anderen Teilen Europas gesprochen wird. Aber, dass Deutsch so eine Menge aus der ganzen Welt  anlocken konnte, war für mich eine echte Entdeckung. Als ich darüber überrascht war, dass Sprachkursteilnehmer auch aus Brasilien, Japan, oder Singapur kamen, staunte auch Irina, eine Russin, wieso es dazu kam, dass ein Schwarzafrikaner wie ich Deutsch kennt. „Mein Heimatland Kamerun gehörte zum Deutschen Reich vor 1919“, sagte ich ihr, was für die neugierigen KommilitonInnen  der   C. 1. 2 Stufe eine überraschende Nachricht war. In der Tat waren wir 12 in unserer  Klasse und  10 Nationalitäten: Russland, Singapur, Kuba, Frankreich, Ägypten, Lybien, Saudi-Arabien, Australien, die Schweiz, Kamerun. Jeder sollte in einem Vortrag über eine Persönlichkeit seines Landes sprechen. Ich sprach also vom Sultan Njoya, König der Bamouns in Kamerun, der den schweren Wendeschock zwischen der deutschen Kolonialzeit und der französisch-britischen  erlebte, was meine KommilitonInnen sehr spannend fanden.

Berlin: Multikulti
Wenn Sie durch die Straßen von Berlin gehen, ist es sehr einfach, einen Fremden durch seinen Akzent zu erkennen. In Berlin wohnen Leuten aus vielfältiger Herkunft, wie Türken, Italiener, Spanier, Asiaten,  Russen,  Afrikaner…  Im Sommer gewinnt die Vielfältigkeit Berlins mehr Bedeutung. Die vielen Touristen aus benachbarten oder fernen Ländern sind leicht erkennbar durch ihren Fotoapparat oder den Stadtplan in Hand auf der Straße, in der U-Bahn  oder an den berühmten Stellen wie Brandenburger Tor oder Berliner Mauer-Denkstätte. Das Bild der Multikulti in Berlin erkennt man auch an den Namen einiger Straßen wie die Französische Straße oder die Afrikanische Straße.

Die grüne Stadt
Was mir dann in Berlin aufgefallen ist, sind die systematisch gepflanzten und gepflegten Bäume entlang der Straßen. Eine sehr grüne Straße in Berlin heißt Unter den Linden am berühmten Alexanderplatz.
Wegen der vielen Bäume, Naturparks und Obstgärten kann man den Schluss ziehen, dass Ökologie für die Berliner wichtig ist. Außer den Naturparks, wo die Leute in sauberer Luft spazieren gehen können, findet man auch Privatgärten, wo man sich zu Hause in aller Stille ausruhen kann. Von dieser Omnipräsenz der Natur her verstand ich auch die Präsenz einer Grünen Partei in dem Deutschen Parlament.

Typisch die Deutschen!
Die Präzision in Deutschland ist für uns Afrikaner etwas sehr Erstaunliches. Das kann man schon an der Mülltrennung sehen: Zu Hause wie auf den öffentlichen Plätzen wird der Müll immer so getrennt, dass verderbliche  Abfälle, Plastiktüten  oder Glasflaschen nicht  zusammen kommen dürfen. Bei Renate Giese, meiner Gastgeberin in Berlin musste ich diesen ersten „Deutschkurs“  lernen.
Bei den Verkehrsampeln hat die Präzision einen anderen Sinn. An der Kreuzung muss man immer warten, bis das grüne Licht den Fußgängern erlaubt, die Straße zu überqueren, auch wenn die Straße ganz leer ist. Eines Tages hatte ich es eilig und musste schnell zur nächsten U-Bahnstation laufen. Ich wartete an den Lampen neben einer alten Dame. Da  kein Auto in der Nähe war, entschied ich mich, die Straße zu überqueren. Ich war noch nicht auf der anderen Seite, als die alte Dame hinter mir schrie, als hätte ich sie beleidigt: „Es ist noch rot, junger Mann!“
Zu Hause erzählte ich es den Gastgebern und Martin reagierte sofort: „Die Dame hatte Recht. Wenn ein Kind neben dir gewesen wäre, welches Beispiel hätte er gesehen?“ Ich sagte zu mir leise: „Typisch die Deutschen!“

Und sogar bei der Familienverwandtschaft muss man in Deutschland sehr präzis sein. In Afrika ist die Verwandtschaft so flexibel, dass ein Vetter, ein Neffe und sogar ein Nachbar im Dorf „mein Bruder“ genannt  werden. In Bensheim, wo ich den zweiten Teil meines Aufenthalts bei der Familie Götz verbrachte, kam dies regelmäßig zur Sprache.
Als ich Désiré als „meinen Bruder“ vorstellte, fanden es Thomas und Uschi sehr amüsant und Thomas fragte: „Bruder im afrikanischen Sinne oder echter Bruder?“. In der Tat ist Désiré, der in Mannheim arbeitet ein ehemaliger Kommilitone der Universität und in meinem Dorf geboren.
Man sagt oft in Afrika, dass Europäer sehr egoistisch sind. Ich kam nicht ohne diese Vorstellung  nach Berlin.
Ich hatte mein Apartment an der Etage mit Küche und Badzimmer und die Gastgeber waren am Erdgeschoss. Aber manchmal wurde ich von Renate zum Essen eingeladen und den Familienfreunden vorgestellt.  Ich durfte auch bei ihnen Musik hören oder ihren Laptop  benutzen. Mein erstes Konzert besuchte ich in Berlin dank ihrer Einladung. Als ich mich über ihr „afrikanisches Benehmen“ wunderte, nannte sie mir dieses Zitat: "Die Nähe ist der größte Feind des Vorurteils" (Moritz von Engelhardt).

Vorurteile abbauen
In Bensheim fand ich das Zitat wirklich authentisch. Schon in dem Regionalzug von Frankfurt nach Bensheim saß ich neben drei Jungen, die pausenlos in einem lokalen Dialekt plauderten und sehr laut lachten. Einer war dick mit nacktem Kopf und sah unfreundlich aus. Aber, das war nur ein Schein. Denn als der Zug in Bensheim hielt und ich meinen schweren Koffer nach oben  tragen musste, fragte mich der dicke Junge: „Hilfe?“ Natürlich brauchte ich Hilfe und hatte nicht den Mut dazu, danach zu fragen. So half mir der Junge, meinen Koffer zu tragen, was ich nie vermutet hätte. Diese Offenheit kontrastierte mit der reservierten Haltung, die ich in Berliner Zügen bemerkte.
Uschi sagte mir: „In Großstädten sind Leute sehr reserviert, aber in Kleinstädten ist es oft das Gegenteil.“ In Bensheim konnte ich diese Offenheit wirklich ermessen: Ich fühlte mich zu Hause; die Nachbarn begrüßten mich. Ich nahm das Fahrrad und fuhr allein und ohne Angst  in die Stadtmitte oder in die kleine Stadt Lorsch. Ich sprach oft mit sympathischen Leuten in der Kirche, im Konzert, in Kneipen oder beim berühmten Winzerfest. Ich wurde vom Journalisten Bernd   nach Heppenheim eingeladen, wo ich die lokale  Zeitung „Starkenburger  Echo besichtigte. Ich besichtigte auch die berühmte Zahnarztfabrik in Bensheim dank der Einladung von Frank.  Im Liebfrauenschule-Gymnasium tauschte ich mich mit sehr sympathischen Schülern und Lehrern aus. Ausflüge nach  Frankfurt, Schwetzingen oder  Mannheim mit Thomas und Uschi fand ich wunderbar. All diese Veranstaltungen reichten aus,  mir ein anderes Bild Deutschlands zu verschaffen.

Die freie Bewegung
Nach vier Wochen in Deutschland fragte ich mich, wie die Polizei wirklich arbeitete. Doch sah ich ab und zu ein Polizeiauto, aber niemals eine Polizeikontrolle.
Am Bahnhof, als ich Fahrkarten für meine Reisen  kaufen sollte, zeigte ich meinen Pass, aber den brauchte die Dame nicht. Die Fahrkarten der Deutsche Bahn sind anonym.
Sogar auf meiner Reise mit dem Auto nach Belgien konnte ich kaum glauben, dass wir schon in einem anderen Land waren, als wir Lüttich erreichten. Nicht die leiseste Polizei trafen wir auf dem Weg bis Brüssel. Bei uns erkennt ein Reisender eine neue Stadt oder ein neues Land an einer Reihe von Polizeisperren.

In Deutschland muss man selbst lernen.
Meine ersten Stunden in Berlin werde ich nie vergessen. Die Reise Libreville-Paris- Berlin dauerte insgesamt neun Stunden. Vom Flughafen Berlin-Tegel nahm ich zuerst einen Bus, dann die U-Bahn. In der U-Bahn folgte ich sorgfältig meinem Reiseplan. Der Zug hielt, wo ich aussteigen sollte. Ich stand auf, rollte meinen schweren Koffer zur Tür und wartete, dass die Tür sich automatisch öffnet, wie ich es vor zehn Jahren in Italien sah. Aber die Tür öffnete sich nicht und wahrscheinlich war ich der einzige, der an dieser Seite aussteigen wollte. Es war klar, dass ich aussteigen wollte, aber keiner neben mir reagierte, um mir zu helfen. Dann fuhr der Zug weiter. Erst danach bemerkte ich, dass der Fahrgast selbst den Türgriff drücken muss, um die Tür zu öffnen.
Bei uns benutzt man selten den Stadtplan. Der Fremde wird am Flughafen abgeholt und für die ersten Tage begleitet. Aber in Deutschland muss man selbst lernen. Trotz dem Stadtplan war  mir die erste Woche sehr schwierig. Eines Abends nach dem ersten Sprachkurs verbrachte ich fast eine Stunde damit, das Haus wieder zu finden. Die Nummer des Hauses hatte ich vergessen und alle Häuser sahen ähnlich aus. Erst ab der zweiten Woche konnte ich mich wirklich frei orientieren. Aber ich sagte zu mir: Man lernt auch besser durch Schwierigkeiten.
Ich danke dem Goethe-Institut, der Deutschen Botschaft in Libreville, Herrn  Frahm und Frau Gestrich, die mir diese allererste  Gelegenheit geboten haben. Meine Dankbarkeit richtet sich auch an Martin und Renate Giese in Berlin, die Familie Götz, Walter Böhme in Bensheim und Vater Meinolf von Spee, damals in Belgien.
Evariste Fosong

Donnerstag, 17. Juni 2010

Viens voir (Gedicht)

Viens voir mon pays
Le pays qui a fait de moi ce que je suis
Je te le montrerai.
Si tu regardes son histoire,
Tu verras les châteaux sur les bords du Rhin
Tu comprendras la vie au Moyen Âge
Tu accepteras les gens du nord comme ceux du sud
Tu verras que nous venons de loin.
Viens voir mon pays,
Tu écouteras Bach et Beethoven et tu liras Schiller
Tu entendras la Lorelei dans sa chanson
Tu verras les enfants jouer au foot
Tu verras dans un ballet les filles danser.
Tu mangeras des saucisses, de la choucroute avec un bretzel
Tu seras avec nous,
Tu feras partie de la fête.
Tu iras voir nos vignobles,
Tu sentiras l’odeur de notre Schwarzwald
Tu viendras faire la fête avec moi.


Nadine Meichsner Liebfrauenschule Bensheim (Deutschland)

Dienstag, 15. Juni 2010

Schwanger sein in der Schule… Was denkt ihr?

-  Schülerforum -

Ich heiße Vannessa Oye. Ich wohne in Port-Gentil in Gabun. Dort bin ich Schülerin im Gymnasium Delta. Ich denke, dass schwanger sein in der Schule nicht gut ist. Denn das Mädchen ist nicht mehr in der Lage, leicht in die Schule zu gehen. Die Schwangerschaft geht immer mit Müdigkeit und anderen kleinen Krankheiten einher. In der Klasse kann das Mädchen nicht mehr konzentriert sein und wird den Kurs nicht regelmäßig besuchen. Für mich ist eine Schwangerschaft in der Schule schlecht. Daher rate ich meinen Kommilitoninnen ab.
(Vanessa)

Ich heiße Jurielle Koumba. Ich bin Schülerin im Gymnasium Delta Port-Gentil in Gabun. Ich besuche die 12. Klasse. Ich bemerke, dass viele Mädchen heute Opfer der frühzeitigen Schwangerschaft sind. In der Sekundarschule wie in der Grundschule trifft man minderjährige Mädchen, die schon Kinder haben. Es ist nicht schlecht, Kinder zu haben, wenn man noch jung ist, aber man muss zuerst verantwortlich sein. Viele Mädchen schließen frühzeitig die Studien ab, wenn eine ungewünschte Schwangerschaft kommt.
(Jurielle)

Mittwoch, 2. Juni 2010

Südafrika vor der Fußballweltmeisterschaft

Die Fußballweltmeisterschaft in Südafrika ist für die dortige Bevölkerung ambivalent. Zum einen wird das Land und wird Afrika für einige Zeit im Mittelpunkt der Weltöffentlichkeit (vgl. Video) stehen. Es sind schöne Stadien gebaut worden, viele Arbeitsplätze geschaffen worden. Andererseits hat der Staat dafür so viel Geld aufgebracht wie für 10 Jahre seines Wohnungsbauprogramms, das Land wird hoch verschuldet sein, es droht noch höhere Arbeitslosigkeit. Die FIFA verbietet Straßenhändlern den Verkauf in den Stadien und im Umkreis von 800 Metern von den Stadien.

Doch gerade die Schwarzen Südafrikas sind fußballbegeistert, blicken hochenthusiastisch auf die Weltmeisterschaft, freuen sich, dass einen Monat lang Afrika keine Unglücksnachrichten, sondern festliche verbreiten wird.
(weitere Bilder)

Dienstag, 1. Juni 2010

EIN DEUTSCHLEHRER MIT DEM FAHRRAD


Schüler haben so etwas noch nicht gesehen, ein Lehrer, der täglich mit dem Fahrrad in die Schule fährt. Hier im nördlichen Teil des Landes sind die mit Zweirädern fahrenden Leute König. Bis jetzt war das Fahrrad ein Transportmittel für Schüler und einfache Leute mit unsicheren Einkommensmöglichkeiten. Seit letztem Jahr komme ich als radfahrender Lehrer mit ins Spiel. Ein Gymnasiallehrer mit einem Fahrrad!
Am Anfang war es den Kollegen schwer zu verstehen, dass ich mit dem Fahrrad in die Schule kommen kann. Sie hatten Recht, denn es gibt einen Parkplatz nur für Lehrkräfte mit Autos oder Motorrädern, aber keinen für Lehrer mit Fahrrädern. Eine Kollegin meinte, es sei nicht pädagogisch, sich mit solch einem Fahrzeug nicht von den Schülern zu unterscheiden. Das führe zu einem Mangel an Autorität den Lernenden gegenüber. Den Schülern kam es am Anfang komisch vor, mit ihrem Lehrer in einer langsamen und mühsamen Fortbewegungsart unterwegs zu sein. Sie waren es gewohnt, Lehrer bzw. Beamte der Oberschicht mit Geländewagen oder klimatisierten Dienstwagen, wie sie ihnen aufgrund ihres Gehalt zukämen, zu sehen.

Radfahren ist eine Lifestyle-Kultur rund um die Pedale. Ich kenne die deutsche Kultur seit langem gut und ahme gerne nach, was ich positiv daran finde. 80% der deutschen Haushalte besitzen Fahrräder. In einigen deutschen Städten wie Münster gibt es doppelt so viele Fahrräder wie Einwohner. Besonders interessant in Deutschland sind die Radfahrwege, die die Spazierfahrt angenehmer machen.
Bein uns wird die Luft ständig von alten importierten Autos verschmutzt. Der Preis des Benzins wird immer teurer. Die Leute werden immer durch Mangel an Bewegung körperlich träge und krank. Also los mit dem Fahrrad! Es ist umweltfreundlich, gesünder, preiswert und leicht.
Der Klimawandel wird heute mehr thematisiert denn je. Ökologische Verkehrsmittel sollten auch bei uns eingeführt werden.
„Das heißt Global denken - lokal handeln“. Wir Erzieher sollten mit gutem Beispiel vorangehen.
Wir sind Wegweiser des neuen Bewegungstrends. Umweltschutz kann mit uns beginnen, lassen wir uns diese Gelegenheit nicht entgehen.

Es soll sich auch bei uns ein Umdenken in Sachen individueller Mobilität anbahnen.

Egal, ob mit Anzug oder Krawatte, wichtig ist es, dass man auf seinem Gefährt schneller überall hin kommt. Das schaffe ich täglich, indem ich zwischen den zwei Gymnasien, wo ich zu ganz unterschiedlichen Unterrichtsperioden Unterricht erteile, hin und her pendle. Mein Tag richtet sich an dieser Fahrstrecke aus.
Ich kann mir mein Leben nicht mehr ohne mein vollwertiges Fahrzeug vorstellen. Ich bin daran gebunden. Ein Deutschlehrer lässt sich nicht nur mit einem Mercedes verbinden, sondern auch mit einem bescheidenen Verkehrsmittel, welches in den heutigen Krisensituationen als Alternative für den Individualverkehr gilt. Frustrationen und Unterlegenheitskomplexe habe ich erlebt und überwunden. Heute bin ich der Primus in Ngaoundéré, der Landeshauptstadt der Adamawa Region. „Herr Fahrrad“ werde ich im Volksmund genannt. Das ist brisant!

Den Kollegen kommen manchmal auf die Idee, mein Fahrrad zu leihen, wenn sie sich in der Umgebung etwas leisten möchten oder wenn sie in der Moschee das Mittagsgebet ohne große Verkehrsprobleme erledigen möchten. Das nennt man die afrikanische Solidarität. Die aber ihre eigenen Grenzen hat. Denn ich sage immer: „Machen Sie auch mit, liebe Kollegen!“
Mit dem Fahrrad kommt man gesünder zum Ziel, ohne natürliche Feinde an sich heranzuziehen.

Das Freizeit- und Sportgefährt wandelt sich allmählich in das vollwertige Verkehrsmittel, mit dem auch Vorstände morgens ins Büro radeln können.

„Gute Tag“
„Guten Nachmittag“
„Guten Abend“
„Guten Morning“
„Guten After Nachmittag“
„Guten Bonjour“
„Gut salut“
„Gut Sallam“
Mit solchen komischen Begrüßungsritualen werde ich ständig sowohl von den Schülern als auch von den Kollegen freundlich begrüßt, wenn ich vorüberfahre.

Manchmal fahre ich mit der rechten Hand. Die linke dient zur dauernden Begrüßungsantwort, wenn keine Antwort aus dem Mund kommt. Und das stört! Besonders, wenn der Verkehr stark ist.

Gute Fahrt!!!

von Herrn BAPACK
Government Bilingual High School Ngaoundéré